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Digimon Adventure Ω

von

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Folge 1 - Partner

Takeshi machte sich bereit, schlafen zu gehen. Er wollte heute nicht zu lange wach bleiben, denn morgen stand ein wichtiger Tag bevor – ein Ereignis, das sich nie wieder in seinem Leben wiederholen würde. Denn morgen würde er seinen ersten Tag als Mittelschüler erleben. Es war ein völlig neuer Abschnitt in seinem Leben, der alles verändern würde. Auf der anderen Seite war es etwas entmutigend, da er außerhalb der Schule nicht viel unternahm. Er hatte seine Hobbys, wie etwa die Spielhalle, die er mit seinem besten Freund Shun besuchte, oder seine Lieblingsserie Kamen Yusha, der er regelmäßig folgte. Und natürlich den Ramen-Laden um die Ecke. Dort gab es tatsächlich die besten Ramen, die er jemals genießen durfte. Schon mehrmals hatte er den Besitzer oder dessen Lehrling nach dem Rezept gefragt, war jedoch immer nur auf Schweigen gestoßen. Er konnte es verstehen, doch allein bei dem Gedanken lief ihm das Wasser im Mund zusammen.

Gerade als Takeshi seinen PC ausschalten wollte, an dem er alles für morgen vorbereitet hatte, erhielt er noch eine Mail. Er beschloss, diese noch schnell zu überprüfen, und hielt inne. Hatte er sich verlesen? Als Absender erkannte er den Namen 'Tsubasa'. Aber konnte das sein? Zuerst glaubte er nicht so recht daran, dann öffnete er die Mail und las mit Spannung. Sofort verbesserte sich seine Stimmung zusehends. Diese Person wollte sich morgen mit ihm treffen. Sie hatte Ort und Zeitpunkt genannt und fragte, ob dies für Takeshi in Ordnung sei. Dieser bejahte sofort, indem er eine ausführliche Mail zurückschrieb. Dann fuhr er seinen PC herunter und legte sich schlafen. Er konnte es kaum noch abwarten.

Sein fester Vorsatz, am nächsten Tag nicht zu verschlafen, löste sich in Luft auf, als er erwachte und auf seinen Wecker starrte. Er schimpfte teilweise mit sich selbst und zog sich schnell an. Er würde die Bahn verpassen, was ihn dazu veranlassen würde, das Fahrrad zu nehmen. Da seine Eltern oft früh zur Arbeit mussten, hatte ihn auch keiner frühzeitig geweckt. Schnell trank er in der Küche einen Schluck Wasser, nahm dann seine Schulsachen und machte sich auf den Weg. Als er mit seinem Fahrrad vor dem Schulgebäude zum Stehen kam, wurde ihm bewusst, dass er an seiner Kondition arbeiten musste. Er stellte es an der dafür vorbereiteten Stelle ab und schloss sich dann den Erstklässlern an, welche in das Gebäude strömten. Wie üblich fanden sie sich in der Sporthalle ein, in welcher bereits breitflächig Stühle aufgestellt worden waren. Als sich alle setzten, ließ Takeshi seinen Blick schweifen. Schnell hastete er zu einem Stuhl, bevor ihm dieser weggenommen werden konnte.

"Geschafft", stöhnte er erleichtert.

Der Junge neben ihm verschränkte die Arme und seufzte.

"Wie ich sehe, setzt du deine Einstellung vom letzten Jahr fort. Wir sind jetzt Mittelschüler, es wird mehr von uns erwartet", führte er Takeshi vor Augen.

Dieser rollte mit den Augen.

"Ja ja, ich weiß doch. Aber das ist unser erster Tag, überfordert mich nicht gleich", bat er.

Der Junge neben ihm lehnte sich in den Stuhl zurück und richtete seine Brille zurecht.

"Du kannst nur hoffen, dass wir wieder in derselben Klasse sind. Einer muss immerhin auf dich aufpassen."

Takeshi hasste es, wenn sein bester Freund Shun den Erwachsenen spielte, immerhin waren sie gleich alt. Doch es stimmte, dass sich Shun wesentlich mehr für die Schule anstrengte und sie allgemein ernster nahm als er selbst. Er mochte es nicht, wenn Shun ihn daran erinnerte, doch Takeshi kannte auch dessen Eltern, die manchmal ziemlich streng sein konnten.

Wenig später trat der Direktor der Schule vor das Mikro und gratulierte den Schülern zum neuen Schuljahr. Er erinnerte sie daran, ihre Pflichten ernst zu nehmen, aber auch Spaß am Alltagsleben zu haben. Danach wurde allen ein Zettel mit ihren Klassen überreicht, und Takeshi stellte erleichtert fest, dass er tatsächlich wieder mit seinem Freund vereint sein würde.

Der Klassenraum selbst wirkte nicht besonders. Takeshi entschied sich für den Platz hinten links, Shun einen weiter vorne, näher an der Tafel. Er ließ seinen Blick schweifen, doch er kannte kaum jemanden aus seiner alten Schule. Und zu den wenigen, die er erkannte, hatte er keinen großen Bezug. Er würde wohl größtenteils mit Shun abhängen. Gleichzeitig überlegte er, ob er vielleicht einem Club beitreten sollte, verspürte dann aber doch keine große Lust darauf. Der Kitakubu reizte ihn dann doch. Besonders wenn er direkt nach der Schule seinen Lieblings-Ramenladen aufsuchte. Seine Mutter kam erst spät abends nach Hause und konnte deshalb nicht für ihn kochen. Zwar bemängelte sie oft, dass Takeshi sich zu einseitig ernährte, auf der anderen Seite hatte sie auch noch keine der Ramen dort probiert. Der Unterricht begann, und Takeshi hörte mit halbem Ohr zu. Heute konnte er sich dies erlauben, doch morgen würde der wirkliche Unterricht beginnen. In der Pause schlenderte Shun zu ihm und reichte ihm etwas zu trinken. Takeshi nahm es gerne entgegen.

"Wollen wir heute etwas unternehmen? Die Spielhalle vielleicht? Heute geht das noch klar, aber die nächsten Tage müssen wir uns dem neuen Stoff widmen", meinte er.

Takeshi musste ihn jedoch enttäuschen.

"Geht nicht, ich treffe mich heute schon mit jemandem", verkündete er.

Shun musterte ihn skeptisch.

"Takeshi... sag bloß nicht... ein Date?"

Der Junge fuhr herum und hob abwehrend die Hände.

"Nein, nein! So ist das nicht. Ich habe gestern nur eine Mail von Tsubasa erhalten. Ich treffe mich heute mit ihm", erklärte er, bis er erkannte, dass Shun das wohl nichts sagen würde. Also verlieh er seinem Gesagten mehr Kontext.

"Ach, du wirst Tsubasa sicher nicht mehr kennen. Er ist weggezogen, als du gerade hergezogen bist. Wir haben immer im Garten gespielt und so. Kamen Yusha, um genau zu sein."

Shun runzelte die Stirn.

"Kamen Yusha? War das nicht deine Lieblingsserie?"

Takeshi brummte unzufrieden.

"Na klar! Ich war der rote Kamen Yusha und Tsubasa war der Gelbe. Wir haben immer den Yusha-Gruß gemacht!", sagte er und hielt sich zwei Finger vor das rechte Auge und zwei Finger über die Stirn.

Shun resignierte.
 

„Entschuldige, ich altere wohl schneller als andere Gleichaltrige“, korrigierte Takeshi sich selbst. Er ignorierte die Stichelei und dachte an Tsubasa zurück. Es fühlte sich wirklich nostalgisch an. Die beiden hatten fast jeden Tag miteinander verbracht. Tsubasa war sein bester Freund gewesen, bis er wegziehen musste. Danach war Takeshi traurig gewesen, doch Shun hatte ihn aufgebaut. Er fragte sich, ob Tsubasa immer noch Kamen Yusha verfolgte oder wie Shun sich entwickelt hatte.

„Jedenfalls wird er auf unsere Schule gehen. Heute müssen noch die Formalitäten erfolgen, aber morgen ist es soweit. Ich hoffe, er kommt auch in unsere Klasse. Mann, es gibt wirklich eine Menge, die ich ihm erzählen will“, sagte Takeshi zu Shun.

Shun nickte mehrmals. „Ja, ich wäre dankbar, wenn mir noch jemand etwas Arbeit abnimmt. Vor allem jemand, der versteht, wovon du manchmal redest“, stimmte er zu.

Takeshi seufzte und starrte aus dem Fenster. Vielleicht würde sein Schultag doch interessanter werden.

Als der Unterricht endete, verabschiedete er sich von Shun und studierte sein Handy. Er überprüfte noch einmal Zeit und Treffpunkt, die er mit Tsubasa ausgemacht hatte. Das war erst in zwei Stunden, und er überlegte, was er in dieser Zeit anstellen sollte. Zurück nach Hause? Hausaufgaben hatte er noch nicht auf. Vielleicht doch nochmal Shun anrufen und vorschlagen, zu den Spielhallen zu gehen? Nein, wie er sich und ihn kannte, würden sie dabei die Zeit vergessen, und er würde somit auch seinen alten Kumpel vergessen. Als er so überlegte, kam er zu einem logischen Schluss.

Er schnappte sich sein Fahrrad und raste los. Wenig später kam er an seinem Zielort an. Sein Paradies. Sein Shangri-La. Er stand vor seinem geliebten Ramen-Laden und trat ein. Erleichtert stellte er fest, dass außer ihm kaum Gäste da waren. Also setzte er sich wie so oft an den Tresen und wartete. Der Lehrling des Betreibers kam aus dem hinteren Bereich hervor und seufzte. Er trat auf Takeshi zu und grüßte ihn.

„Na, wen haben wir denn da? Wenn das nicht unser Stammkunde ist. Du hast unsere Ramen wirklich noch nicht satt, was?“, fragte der Lehrling.

Takeshi verneinte unverzüglich. „Nein, die werde ich nie satt sein. Und ich komme so oft wie ich kann, um eines Tages der 1-Millionste Kunde zu sein und ein Jahr kostenlos Ramen essen zu dürfen.“

Dafür erhielt er einen leichten Klapps auf den Kopf. „Träum weiter, solche Events wären geschäftsschädigend. Egal, dasselbe wie immer?“, fragte der Lehrling.

Eigentlich hätte er nicht fragen müssen, Takeshi bejahte augenblicklich, und der Lehrling gab die Bestellung nach hinten durch. Diese wurde mit einem „Sofort“ zur Kenntnis genommen. Takeshi kannte den Koch nicht, der seine Ramen für gewöhnlich zubereitete. Dessen Stimme klang immer recht hoch, wie von einem Kind. Doch sicher bildete er sich das nur ein.

„Ist der Inhaber heute nicht da?“, hakte Takeshi nach, während er wartete.

Der junge Mann vor ihm schüttelte den Kopf. „In letzter Zeit kümmert er sich lieber um seine Familie.“

Takeshi nickte. „Dann kannst du den Laden ja vielleicht bald übernehmen, Motomiya-sensei.“

Dessen Miene verfinsterte sich. „Nein... ich... habe noch einen langen Weg vor mir. Noch... sind meine Ramen noch nicht gut genug, um einen eigenen Laden zu rechtfertigen. Doch eines Tages... ja... eines Tages“, sagte der Lehrling und reckte seinen Kopf zur Decke, während er an seinen Traum dachte.

Dann waren auch bereits Takeshis Ramen fertig, und er ließ sie sich schmecken. Er wurde wie so oft nicht enttäuscht. Er zahlte und bedankte sich für das leckere Menü. Dann verließ er den Laden und ließ den Ramen-Spezialisten zurück.

Dieser sammelte die Schüsseln ein und brachte sie nach hinten. „Gönn dir eine Pause, im Moment haben wir sonst keine Kunden“, sagte er seinem Partner, der Ramen inzwischen bereits so gut zubereiten konnte wie er selbst. Dieser, ein recht kleiner Koch mit blauem Fell, schüttelte den Kopf. „Nein, ich koche schon mal vor. Man weiß nie, ob nicht eine Familie oder Arbeitskollegen kommen“, stand für ihn fest.

Sein Partner zweifelte aber daran. Er bezweifelte, dass sich heute noch viel tat. Er sollte sich irren. Kurz darauf erhielt er einen Anruf von jemandem, von dem er bereits länger nichts mehr gehört hatte. Besorgnis schwang nun in seinem Gesicht mit, und sein Partner wartete auf eine Erklärung.

„Veemon, eventuell müssen wir den Laden früher schließen. Es könnte ein Problem geben“, sagte dieser dann.

Takeshi sah noch einmal auf die Uhr. Er wollte unter keinen Umständen zu spät kommen. Er wollte einen schlechten Eindruck vermeiden, immerhin hatten er und Tsubasa sich seit fast sieben Jahren nicht mehr gesehen. Wie er heute wohl aussah? Doch er zweifelte nicht daran, ihn sofort wiederzuerkennen. Den blonden Schopf und die lebhafte Natur waren ihm noch gut im Gedächtnis geblieben. Er hatte sich auf dem Rathausplatz, direkt vor der U-Bahnstation, begeben und ließ seinen Blick schweifen. Über seinem und den Köpfen der anderen Passanten schwirrte nun eine Art Drohne. Takeshi fragte sich, wem sie wohl gehörte und was ihr Zweck war. Sie wirkte etwas ziellos. War sie am Ende defekt? Naja, ihm konnte es egal sein. Er trat näher an die Straße, um gut sichtbar zu sein. Von wo kam Tsubasa eigentlich? Mit der U-Bahn? Oder kam er mit dem Fahrrad?

Er wurde aus seinen Gedanken gerissen, als er seinen eigenen Namen hinter sich vernahm. Sofort drehte er sich um und sah jemanden auf sich zukommen. Zuerst dachte er an Tsubasa, wurde aber enttäuscht. Es handelte sich nämlich um ein blondes Mädchen mit sportlicher Kleidung.

Nun gut, sein Vorname war sehr geläufig, warum wand er dem Ruf keine große Bedeutung zu. Er wollte sich gerade wieder wenden, da kam das Mädchen vor ihm zum Stehen.

„Tut... tut mir leid! Bin ich zu spät? Dabei habe ich mich so gefreut, dich wiederzusehen!“, sagte sie etwas außer Atem.

Takeshi runzelte die Stirn. „Ähm... meinst du mich? Kann es sein, dass du mich verwechselst?“, hakte er nach.

Doch das Mädchen sah ihn nur besorgt an. „Du... bist doch Takeshi, oder?“, schien sie sich nun selbst nicht mehr sicher.

Der Junge nickte. „Ja, aber ich warte hier auf jemanden namens Tsubasa. Ich glaube nicht, dass wir uns kennen, oder?“

Das blonde Mädchen neigte den Kopf leicht nach rechts. „Ähm..., ja das bin ich. Tsubasa“, erklärte sie.

Takeshi neigte den Kopf nach links. „Wie? Du meinst, du bist eine Freundin von Tsubasa und kommst an seiner Stelle, weil er verhindert ist?“, versuchte er sich einen Reim zu machen.

Das Mädchen wirkte zunehmend verwirrt, bis ihr etwas einfiel. Sie hielt sich eine Hand vor das Auge und zwei der anderen Hand über die Stirn. „Kämpfer der Gerechtigkeit! Kamen Yusha Gelb!“

Takeshi ließ diese Geste auf sich einwirken. Dann erschien ein riesiges Fragezeichen über seinen Kopf.

Im selben Moment brach das Chaos los. Die Erde bebte unter den Füßen der beiden. Beide verloren den Halt und stürzten auf den Hintern. Wilde Rufe und fliehende Personen überall.

Takeshi kämpfte sich auf und reichte dem Mädchen die Hand. „Was? Ein Erdbeben? Jetzt? Und wieso wurden wir nicht gewarnt?“, verstand er nun gar nichts mehr.

Das Mädchen wandte ihren Blick in alle Richtungen. „Nein... nur die Umgebung um uns herum wackelt!“, vermeldete sie.

Das ergab nun gar keinen Sinn. Doch es blieb auch kaum Zeit darüber nachzudenken.

Ganz in ihrer Nähe brach die Straße ein, und ein großes Loch entstand. Menschen riefen um Hilfe.

„Nein! Karen! Yuta! So helft uns doch!“, rief ein Mann, und Takeshi rannte los.

Das Mädchen wollte ihn zurückhalten, doch ohne Erfolg.

Dieser war bei dem Mann angekommen und erkannte die Katastrophe. Eine Frau und ein Kind, augenscheinlich dessen Frau und Sohn, waren in ein Erdloch versunken. Ob sie verletzt waren, konnte er nicht beurteilen. Der Mann hielt seine Hand hinunter, doch der Spalt schien zu tief zu sein.

Also beschloss Takeshi, seinen Instinkten zu folgen und rutschte hinunter.

„Geben Sie mir den Jungen“, bat er, und die Frau folgte sofort.

Er nahm das Kind entgegen und reichte es dem Mann hoch. Dieser ergriff es und setzte es unverletzt ab. Als nächstes bot Takeshi der Frau an, auf seine Schultern zu steigen. Der Versuch endete erst etwas unbeholfen, dann konnte aber auch sie sich auf festen Grund retten.

Doch Takeshi stand nun vor demselben Problem wie die Eingebrochenen vorhin. Er schaffte es ohne Hilfe kaum wieder hoch. Allerdings war er agiler, und er hoffte, mit einem gezielten Sprung hochzukommen. Er unternahm einen Versuch, scheiterte aber. Der Mann reichte ihm schon die Hand, bis der Grund noch weiter einbrach und Takeshi ins schwarze Nichts fiel.

Der Mann wich erschrocken zurück, und auch Tsubasa war nun bewusst geworden, was geschehen war.

„Takeshi! Kannst du mich hören?“, rief sie nach unten.

Die weitere Person, die nun zu ihnen stieß, erkannte sie erst gar nicht. Es handelte sich um einen Jungen mit Brille, der sehr erschrocken aussah.

„Warte! Hast du gerade Takeshi gesagt?“
 

Besagter Takeshi wusste zu diesem Zeitpunkt nicht, ob er sich etwas gebrochen hatte. Er tastete seine Beine und Arme ab, konnte es dann aber verneinen. Er nutzte die Taschenlampe seines Handys, um sich im Dunklen zurechtzufinden. Es dauerte eine Weile, bis er realisierte, wo er sich befand: in einem U-Bahnschacht. Gut, das ergab Sinn, denn der Eingang zur U-Bahn befand sich direkt am Platz.

Erleichtert atmete er auf. Das bedeutete nämlich, dass er hier nicht festsaß, sondern einfach nur ein paar Schritte zur Station gehen musste und schon konnte er mittels Treppe wieder an die Oberfläche. Das hieß, sofern diese nicht auch eingestürzt war. Doch er wollte im Moment nicht das Schlimmste hoffen.

Also schritt er voran und erkannte schwere Geräusche aus dem Gang vor ihm. Verdammt! Würde etwa ausgerechnet jetzt eine Bahn kommen? Konnte er wirklich so viel Pech haben? Aber nein, zu seinen Füßen erstarrte er; er befand sich nicht auf den Gleisen. Somit war er erst einmal sicher. Zumindest dachte er sich das so.

Er leuchtete nach vorne und konnte nicht glauben, was da auf ihn zukam. Es war langsamer als eine Bahn, wirkte im ersten Blick aber genauso. Es sah aus wie eine Maschine, aber auch tierrartig. Schließlich musste er sich eingestehen, dass nur 20 Meter von ihm entfernt ein riesiges Krokodil, völlig aus Metall, zum Stehen gekommen war.

War er eingeschlafen und versehentlich in einer Folge von "Kamen Yusha" gelandet? Nein, solche Kreaturen kamen dort nicht vor. Solche hatte er höchstens einmal im Fernsehen gesehen, als er noch klein war. Aber... konnte das wirklich sein? War das da vor ihm wirklich eines dieser Digimon, von denen er schon so viel gehört hatte?

Aber nein, das war nicht möglich. Diese Wesen lebten in ihrer eigenen Welt und nicht in der der Menschen. Allerdings schien die Kreatur vor ihm nichts davon zu wissen. So schwer sie war, war sie eindeutig für die Einstürze verantwortlich. Doch wozu war sie außerdem noch im Stande? Er würde es gleich am eigenen Leib erfahren. Etwas auf dem Rücken der Kreatur setzte sich in Bewegung und löste sich. Es raste direkt auf Takeshi zu.

Zum Glück wurde er von etwas Kleinem gepackt und in den nächsten Schacht gezogen. Mit einem ohrenbetäubenden Lärm realisierte er, dass das Krokodil Geschosse auf ihn abgefeuert hatte. Er war gerade noch so gerettet worden. Er landete unsanft auf dem Boden, sein Retter auf ihm.

Verdutzt musterte er diesen. Es handelte sich ebenfalls um keine*n Menschen, sondern um eine Kreatur, wesentlich kleiner. Sie wirkte gläsern, mit weißer Haut, sofern man das Haut nennen konnte. Auf ihrem Kopf prangten bunte Kristalle.

„Was soll das? Willst du sterben, Mensch?“, fragte die Kreatur.

Takeshi kämpfte sich frei und trat einen Schritt zurück.

„Nein, natürlich nicht! Was war das für ein Monster? Und wer bist du überhaupt?“

Das Wesen bedachte ihn keines Blickes.

„Ich bin Prismamon! Der Feind hat mich also doch verfolgt. Gut... besser mich als ihn. Aber wir müssen ihn jetzt und hier unschädlich machen. Stehst du mir zur Seite?“

Takeshi verstand nur noch Bahnhof. Was angesichts seiner Umgebung auch nicht verwunderlich war. Doch das Wesen vor ihm... Prismamon? Es handelte sich also tatsächlich um ein Digimon. Takeshi hätte nie erwartet, mal eines mit eigenen Augen zu sehen. Und heute waren es sogar zwei auf einmal. Eines wollte ihn umbringen und das andere... wollte ihn dazu bringen, mit ihm zu kämpfen? War es verrückt?

„Was redest du da? Wir müssen hier weg! Das Ding schießt Kanonen ab, wir haben keine Chance!“, redete er auf Prismamon ein.

Das Digimon knurrte nur verächtlich.

„Dann waren die Gerüchte wohl falsch. Ich habe gehört, dass Menschen starke Kämpfer seien, durch die auch wir Digimon stärker werden. Aber das waren wohl nur Märchen.“

Das Krokodil bewegte sich nur behäbig und bog erst jetzt in ihren Schacht ein. Doch es gab kein Entrinnen mehr. Takeshi erkannte, dass sie sich in einer Sackgasse befanden. Doch was jetzt? Kämpfen? Nein, dieses kleine Ding war chancenlos gegen das Metallmonster. Dennoch ließ es sich davon nicht abhalten. Es schien einen Grund zum Kämpfen zu haben. Es stürmte auf den Feind los und schoss eine Art Blitz ab. Doch scheinbar ohne große Wirkung. Es wurde von einer Pfote weggeschleudert.

„Wo... Ort... Buch...“, grölte das Krokodil, doch Prismamon ballte nur die Fäuste.

„Vergiss es! Du kriegst meinen Freund nicht! Ich beschütze die, die mir wichtig sind!“, setzte es dem Feind entgegen.

Es setzte erneut zum Angriff an, aber mit demselben Effekt. Takeshi wurde klar, dass das Krokodil eine Frage beantwortet haben wollte, ansonsten hätte es das kleine Ding längst zerquetscht. Was sollte er unternehmen? Die Chance zur Flucht nutzen, während sich das Ungeheuer auf Prismamon konzentrierte? Nein, das konnte er nicht. Und Kamen Yusha hätte genauso wenig jemanden im Stich gelassen, der Hilfe benötigte. Doch Takeshi wusste, dass auch er nichts ausrichten konnte.

„Wenn... ich doch nur stärker wäre...“, krächzte er.

Nun nahm er eine Bewegung über sich wahr. War das... die Drohne von vorhin? Takeshi musterte sie und erkannte eine Art Kugel, die nun vor ihm zum Stehen kam. Eine Luke an der Oberseite öffnete sich und ließ eine Art Monitor aus Licht erscheinen. Ungläubig starrte er auf ein Gesicht, das sich darauf zeigte. Es war ein jüngerer Mann mit braunen Haaren und einem Pferdeschwanz.

„Wer... sind Sie denn jetzt?“, fragte Takeshi den Mann.

Der Mann brauchte etwas Zeit, um die Situation zu verstehen.

„Prismamon ist bei dir, richtig? Und er ist in Gefahr, so ist es doch?“, fragte der Mann.

Takeshi konnte nichts anderes als es zu bestätigen.

„Mein Name ist Gennai, ich überwache die Übergänge zu deiner Welt bereits eine Weile. Ich kenne dich zwar nicht, aber ich muss dich um einen Gefallen bitten. Bitte kämpfe zusammen mit Prismamon, um den Feind zu besiegen“, sagte der Mann.

Takeshi starrte ihn verständnislos an. Was genau verlangte der Typ da von ihm?

„Hallo? Haben Sie das Ungeheuer mit Ihrer Drohne nicht gesehen? Das Ding ist riesig!“, wandte sich Takeshi an Gennai.

Gennai nickte.

„Ja, Deckerdramon ist gefährlich, aber nicht unbesiegbar. Mit vereinten Kräften sollte es euch beiden möglich sein, den Feind zu besiegen“, sagte Gennai überzeugt.

Takeshi wollte gegen diese Behauptung argumentieren, doch Gennai schien bereits irgendwas einzutippen, und eine andere Luke an der Drohne öffnete sich. Ein Lichtblitz schoss heraus und traf Takeshis linken Unterarm. Doch er verspürte keinen Schmerz. Es fühlte sich warm an, und als er auf die Stelle blickte, starrte er verblüfft auf ein Gerät. Es war weißlich und dreieckig. Kurz erinnerte es ihn an das Verwandlungsgerät, das Kamen Yusha immer verwendete.

„Was... ist das?“, stotterte er.

Gennai ließ mit seiner Antwort nicht lange auf sich warten.

„Das ist ein DX-Ω. Ein DigiVice der neuesten Generation. Es erlaubt dir, zusammen mit Prismamon zu kämpfen. Ich bitte dich... steh ihm bei. Als Partner“, sagte Gennai.

Takeshi begutachtete das Gerät und zog es dann um ein Handgelenk weiter. Dann stand er auf und schritt näher zu dem Kampfgeschehen. Er verspürte Furcht, doch das Digimon vor ihm geriet immer weiter in Bedrängnis. Er durfte nicht länger handlungsunfähig bleiben. Auch wusste er nicht genau, wie er in das Kampfgeschehen eingreifen sollte, doch das DigiVice, wie es der Mann nannte, würde ihm schon dabei helfen.

„Prismamon! Bist du bereit?“, rief er dem Digimon zu.

Dieses machte einen Sprung nach hinten, direkt vor seine Beine.

„Hast du es dir anders überlegt?“, fragte Takeshi.

Takeshi nickte.

„Zeigen wir diesem Kerl, dass er hier nicht einfach so solchen Schaden anrichten darf!“, rief Takeshi.

Prismamon stimmte ihm zu und sprang auf den Feind zu.

Takeshi dachte nun nur noch daran, dem Kleinen helfen zu wollen, und sofort spürte er, wie das Gerät an seinem Arm wärmer wurde. Es begann zu leuchten, doch es war nicht das Einzige. Auch Prismamon begann nun zu glühen.

„Prismamon digitiert zu PrismKnightmon!“, hallte es plötzlich.

Das Digimon begann sich nun ganz von allein zu transformieren. Es war nun viel größer und menschenähnlicher. Es trug eine Art Helm, während sein linker Arm ein Schild war und über seinem rechten ein Schwert. Es wirkte beinahe wie ein Ritter auf Takeshi.

Nur leider ließ sich Deckerdramon von der Verwandlung nicht beeindrucken. Erneut aktivierte es seine Kanonen und schoss Raketen auf das nun transformierte Prismamon.

„Pass auf!“, warnte Takeshi.

Zum Glück unnötigerweise. PrismKnightmon hob sein Schild und wehrte das erste Geschoss ab. Dann sprang es hoch und zerschnitt das zweite mit seinem Schwert in Stücke. Noch bevor der Feind weitere abfeuern konnte, sprang es hoch, und sein Schild begann zu leuchten.

„Schimmerndes Inferno!“, rief es aus, und ein Schwall aus purem Licht verließ das Schild und strömte auf Deckerdramon zu. Dieser war natürlich so behäbig, dass er nicht mehr ausweichen konnte und direkt getroffen wurde. Eine Explosion folgte, von der selbst Takeshi sich schützend die Arme vor das Gesicht halten musste. Als er sich senkte, zerbrach das Krokodil in Stücke, welche sich einer nach dem anderen auflösten.

Der Junge rannte zu Prismamon, welches erneut leuchtete und seine ursprüngliche Gestalt annahm.

„Ist... ist es besiegt?“, fragte Takeshi, konnte sich diese aber selbst beantworten. Das Ungeheuer war bezwungen und verschwunden. Staub rieselte von der Decke, und Takeshi entschied, dass es hier dennoch nicht sicher war. Er lief zurück und erkannte, dass die Drohne wohl von etwas getroffen worden war. Er schüttelte sie etwas, doch der Mann, der darüber Verbindung aufgenommen hatte, meldete sich nicht mehr. Er beschloss, sie einzustecken und mitzunehmen.

Zurück bei Prismamon suchte er nach dem Ausgang. Doch es war das Digimon, das Rat wusste. Scheinbar war es ihm möglich, mit den Kristallen an seinem Kopf Licht zu generieren. Wie eine Taschenlampe leuchtete es nach vorne und spendete so Licht. So war es ein Leichtes, die Station zu finden und die Treppe, die nach oben führte. Diese war tatsächlich leicht eingestürzt, aber nicht so, dass große Brocken den Ausgang versperrten. Takeshi half Prismamon als erstes hoch, danach zwang er sich selbst an die Oberfläche.

Feuerwehr und Krankenwagen waren bereits eingetroffen und versorgten die Verletzten. Takeshi keuchte und überlegte, ob er auch einen Arzt brauchte. Als er sich selbst abtastete, stellte er aber fest, dass er nichts abbekommen hatte. Nach einigen Sekunden erkannte er zwei bekannte Gesichter in der Nähe. Eines davon gehörte dem Mädchen, das sich ihm als Tsubasa vorgestellt hatte. Das andere Shun. Wo kam der denn plötzlich her? Sie winkten ihm zu und wollten bereits auf ihn zustürmen. Doch jemand schien andere Pläne zu haben. Mehrere schwarze SUVs bogen um die Ecke und blockierten alle Zugänge. Mehrere Männer und Frauen in Anzügen stiegen aus und traten auf Takeshi und Prismamon zu. Einer von ihnen holte einen Ausweis hervor und hielt ihn dem Jungen hin.

„Verzeihung, aber wir müssen dich bitten, mitzukommen“, klang es jedoch mehr wie eine Forderung als eine Bitte.

Takeshi und Prismamon sahen einander an. Ihnen war klar, dass dieser Tag noch lange nicht zu Ende sein würde.

In einiger Entfernung, auf dem Dach eines Hauses, beobachtete ein weiteres Digimon das Geschehen. Es war fast gänzlich schwarz und wirkte wie ein Ninja aus alten Zeiten. Was gerade geschah, würde seinen Meister bestimmt enorm interessieren.



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